STURM ÜBER DER TRAUMINSEL
MAURITIUS / LE MORNE
Niemand sollte es besser wissen als ich. Es war meine 21. Reise nach Mauritius. Wir wählten unser Lieblingsresort im Südwesten der Trauminsel, direkt vor dem berühmten Sklavenberg Le Morne. Stechend heiße Sonne, sehr hohe Luftfeuchtigkeit, Regen und Gewitter – und das alles täglich. Das ist das Wetter im Jänner auf Mauritius. Hinzu kommen Stürme, die mit diesem Kreislauf zusammenhängen. In ihrer Entstehung werden sie Depression genannt, dann werden sie zu tropischen Stürmen und erhalten einen offiziellen Namen, ab 180 km/h werden sie als ernsthafter Zyklon eingestuft. Pro Jahr gibt es in den Sommermonaten von Dezember bis März durchschnittlich 12 tropische Stürme und Zyklone.
Ich besuchte vor Reiseantritt die Wetter Apps der Einheimischen. Schaute wirklich nicht gut aus! Täglich Regen, klang nach Zyklon in der Nachbarschaft. Dann die Selbstberuhigung: Das würde sich schon noch ändern. Wir hatten ja schon gebucht. Wie üblich 12 Tage, davon würden halt ein paar Tage schlecht sein, sollen es vier, fünf sein, passt schon.
Trotz dieser Aussichten, wir wollten es wieder einmal wagen. Der Wunsch nach Wärme und Sonne war groß.
Ankunft auf Mauritius. Wolkig, dann kam die Sonne. Ein typischer Mauritius-Tag im Jänner. Mit herrlichem Sonnenuntergang. Und Sega-Tänzen zum Sundowner. Als Ankündigung für einen kreolischen Abend im Hotel.
Am nächsten Tag. Sonnenschein. Jedoch schon sehr windig. Okay, vielleicht würde doch alles anders werden als im Wetterbericht angekündigt. Doch dann verschwand sie, die Sonne. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, dass wir sie für die nächsten 10 Tage zum letzten Mal gesehen haben. Am Abend bereits Regen. Am nächsten Tag Regen und bewölkt. Ein Blick auf das Wetter App, wird`s jetzt besser? In den kommenden Tagen bewölkt und immer wieder Regen. Der Regenschirm wurde zu unserem ständigen Begleiter auf dem Weg zum Restaurant, morgens und abends. Selbst auf die Wetterberichte in Mauritius war anscheinend kein Verlass mehr. Sie stimmten auf eine Woche sehr genau. Das war historisch bedingt. Mauritius hatte seine Lektion gelernt, als in den Jahren 1960 und 1962 Zyklone auf die Insel trafen, dabei alle überraschten und extreme Zerstörungen anrichteten.
Wir begannen uns zu arrangieren. Regenwetter bei 24 Grad, das wäre besser als Schnee, Nebel und Minusgrade in Österreich, es wäre ja warm. Jeden Tag gesundes Essen, kein Kochen, kein Haushalt. Das Fitness Center würde uns guttun. Die Sonne wäre trotzdem stark, auch wenn sie sich hinter den Wolken versteckte. Die Haut bekäme schneller den gewünschten braunen Teint. Bei stechend heißer Sonne wären unsere ausgedehnten Strandspaziergänge ja gar nicht möglich.
In der Zwischenzeit war aus der Depression ein tropischer Sturm geworden. Sein Name Cheneo. „C“, aha, also der Dritte seiner Art in der heurigen Saison. Er war 900 Kilometer entfernt bereits an Mauritius vorbeigezogen, war schon in Madagaskar angekommen. Normalerweise entladen sich tropische Stürme und Zyklone auf der großen Nachbarinsel oder im Meereskanal zum Festland von Mozambik.
Aufatmen. Jetzt würde es besser werden. Doch Cheneo intensivierte sich, wurde aber nicht zum Zyklon. Der tropische Sturm war stark und groß, wollte nicht weiterziehen. Eine riesige graue Wolken- und Regendecke legte sich in seinen Ausläufern über die kleine Insel Mauritius.
Auch in den nächsten Tagen wechselten sich Wolken und Regen ab. Die Gesichter der Hotelgäste verfinsterten sich. Stürme dieser Art werden relativ schnell zu zwischenmenschlichen Beziehungs-Zyklonen. Die Urlauber werden immer gereizter, machen alle verantwortlich. Genau diese Tage fürchtet das Hotelpersonal. Ich kann es verstehen.
An einem der letzten Abende saß ein junges französisches Paar neben uns im Restaurant. Fröhliche Gesichter schauten anders aus. Wir kamen ins Gespräch. Sie waren sehr sympathisch. Sie arbeiteten hart in Paris, hatten sich nur eine Woche Urlaub gegönnt, mehr ging nicht, wollten sich einen Traum erfüllen und nach Mauritius reisen. Und jetzt das, 5 Tage Regen. Zwei hatten sie noch. Dann die Frage, wie wird´s? Ja, jetzt verstand ich das Hotelpersonal, was sollte ich sagen? Die Wahrheit? Eine Notlüge, dass ich es nicht wüsste und sowieso, die Insel wäre zu klein, alles ändere sich ganz schnell, der Wetterbericht hinkte hinten nach, und mehr, all das schwirrte durch meinen Kopf. Ich brachte es nicht über´s Herz, entschied mich für eine halbe Notlüge.
Die Geschichte erinnerte mich an mich selbst, vor einigen Jahren, als ich noch im vollen Berufsleben war. Mir wäre es genauso ergangen. „Du wärst sicher früher abgereist“, hat meine Frau gesagt. Diesmal hatten wir überlegt, ob wir länger bleiben sollten. Die Wetter App sagte sonniges Wetter voraus, zumindest für die ganze Woche nach unserer Abreise.
Meine Frau und ich, wir erlebten auf Mauritius schon einmal die höchste Zyklon-Warnung, auch damals dauerte die Schlechtwetterphase nur 5 Tage. Doch diesmal, 10 Tage Regen, das war ungewöhnlich, selbst für die Einheimischen. Sie fotografierten die Bäche, die als Wasserfälle den Le Morne herunterliefen. So etwas haben sie noch nie gesehen.
Der Tag der Abreise. Das Wetter war in der Früh noch nicht besser geworden. Es regnete. Wir standen mit dem Empfangspersonal am Hoteleingang, warteten auf unser Flughafentaxi. In der Zwischenzeit kamen zwei neue Gäste an. Sie stiegen aus dem Auto. Der Concierge stand mit dem Regenschirm bereit. „Welcome to Paradise“ warf uns der Mann ironisch zu. „Keine Sorge, nächste Woche ist es schön, heute Nachmittag hört es auf zu regnen“, sagte ich, um seine Stimmung zu heben, der Concierge nickte. Die Neuankömmlinge gingen an uns vorbei, er lächelte mich finster-sarkastisch an. Für einen Moment wünschte ich mir, ich hätte unrecht!
Lieber Rudi, du hast Mauritius diesmal ganz anders erlebt als bei früheren Besuchen, mitten im Indischen Ozean dem stürmischen Wetter ausgesetzt, sehr lesenswerte Schilderung. Lg Beate und Axel